Montag, 14. August 2006

EIN GRAN

BALTHAZAR GRACIÁN (1601-1658)

Nicht immer zu Scherzen aufgelegt sein
Satire


Sehr ernsthaft ist die Klugheit, und Würde erzeugt Verehrung: von zwei Extremen gibt gemessene Veranlagung die größere Sicherheit. Nie ist ein ernsthafter Mensch, wer immer zu Scherzen aufgelegt ist, und einige sind es immer. Sie halten das für vorteilhaft uiid geschickt und streben danach – existiert doch keine Verkehrtheit, die nicht einen Fürsprecher fände. Doch nichts ist geistloser, als wenn jemand dauernd geistreich ist. Scherze müssen ihre Zeit haben, der Rest gehört dem Ernst. Schon der Ausdruck »Salz« zeigt, wie sie zu gebrauchen sind. Es gilt, je nach Anlaß zu differenzieren und mehr noch nach Personen. Mit jemandem scherzen heißt, ihn als niedriger oder höchstens als gleich zu behandeln, denn man ruiniert sein Ansehen und verweigert ihm die Verehrung.

Bei ihnen weiß man nie, wann sie im Ernst reden, und so setzen wir sie mit den Lügnern gleich: Wir schenken ihnen keinen Glauben, den einen nicht aus Furcht, daß sie lügen, den anderen, daß sie scherzen. Nie wenden sie beim Reden ihr Urteil an, was ebensogut ist wie keines haben und noch verwerflicher denn das Urteilsvennögen nicht zu benutzen, weil man nicht will, ist schlimmer, als wenn man dazu nicht in der Lage ist. Und so unterscheiden sie sich von den Unverständigen nur dadurch, daß sie es freiwillig sind, was eine doppelte Ungeheuerlichkeit ist. Bei ihnen bewirkt die Leichtfertigkeit dasselbe wie bei jenen der Mangel. Sie haben nur eines im Sinn, nämlich zu unterhalten und zu belustigen, die einen mit Vorsatz, die anderen ohne ihn.

Ein anderes Verhalten ist wegen seiner schädlichen Folgen noch ärgerlicher: das jener, die zu jeder Zeit und über alles spotten. Abscheuliche Ungeheuer, vor denen alle eher fliehen als vor dem Tier des Äsop, das mit Huftritten den Hof machte und mit Bissen schmeichelte. Mit Spott und Witz begleiten sie die Unterhaltung; und das was sie für ein Zeichen von Artigkeit halten, ist in Wahrheit Verachtung dessen, was die anderen sagen und nicht nur nicht witzig, sondern abscheulich und peinlich. Was sie als Witz ausgeben, ist ausgesprochen ärgerlich für alle Beteihgten. Nach und nach treiben sie es soweit, bis sie einem Übles direkt ins Gesicht sagen. Für einen Witz beleidigen sie euch; es sind jene, die Cicero verabscheute, denn für ein gelungenes Wort opfern sie einen Freund oder verstimmen ihn; sie machen sich einen Namen als Witzbold und verlieren den Ruf, klug zu sein. Die Freude am Witz vergeht, und die Qual der Reue bleibt; sie beweinen, womit sie andere zum Lachen brachten. Sie lassen sich weder durch besondere Freundlichkeit noch durch besondere Verbindlichkeit umstimmen, und es ist bemerkenswert, daß sie nie mit dem Lob, sondern nur mit der Satire schnell bei der Hand sind: Sie haben einen verqueren Geist.

Dieser und andere unglückliche Mängel sind eine Folge mangelnder Substanz und gehen mit Leichtfertigkeit einher. Bei Menschen in hoher Stellung kritisiert man ihn eher und obwohl er sie wegen ihrer Direktheit in gewisser Weise populär macht, bringt er durch lockeres Reden die Würde in Gefahr. Denn indem sie die der anderen nicht respektieren, verursachen sie auch umgekehrt Dreistigkeit.

Einigen ist der Witz angeboren. Die Natur stattete sie mit dieser Gabe aus, und wenn sie sich klug mäßigen würden, wäre das ein Vorzug und kein Mangel. Ein Gran Witz ist auch heim Ranghöchsten lobenswert. Wollte man aber ständig seiner Neigung nachgehen, so würde man schließlich zum berufsmäßigen Alleinunterhalter, Sprüchemacher und Spaßvogel. Wenn es schon in einer komischen Geschichte als unschicklich gilt, daß Davus immer scherzend eingeführt wird und daß er dem Ernst, mit dem der Vater den Sohn unterrichtet oder ihn ermahnt, seine Späße beigemengt, was bedeutet es dann, in einer ernsthaften Unterhaltung ständig zu scherzen, ohne Davus zu sein? Es bedeutet Komödie zu spielen und dabei sich selbst lächerlich zu machen.

Es gibt Menschen, die es – auch wenn das Minerva mißfällt – auf Lustigkeit absehen, und das erzeugt, da sie bei ihnen nur aufgesetzt ist, eher Verdruß als Genuß. Und wenn sie einen auch zum Lachen bringen, so ist es doch eher der Spott über ihre Plumpheit als die Freude an ihrer Gewandtheit. Die Absicht hat schon immer verstimmt, beim Scherzen aber ist sie unerträglich, verstimmt sie doch hier im höchsten Maße und wirkt, da sie lachen machen will, selbst lächerlich. Und wenn schon Narren im allgemeinen kein Ansehen haben, wieviel weniger noch die gewollten, denn mit ihrer Plumpheit verdoppeln sie die Verachtung.

Es gibt geistreiche Gesellschafter und es gibt Spaßmacher – der Unterschied ist groß. Der kluge Hofmann inszeniert auch dieses Stück des geistreichen Effekts, wenngleich nicht offen – und das in Vollendung. Man lasse wie aus Versehen ein Gran von jenem Salz fallen, das mehr geschätzt wurde als eine Perle, aber nur selten, indem man der Klugheit die Ehre erweist und sich vor der Würde verneigt. Viel gilt ein Scherz zu seiner Zeit, und gewöhnlich erleichtert er die Lösung eines Problems: Dieses Salz würzte schon manche Zurücksetzung. Es gibt Dinge. die man nicht ernst nehmen darf, und es sind manchmal gerade die, die der andere eher wörtlich nimmt. Einzigartiger Maßstab der Klugheit, machen sie ein Spiel aus dem heißesten Feuer.

Schwer lastet das Extrem der Tiefernsten, und wenig beliebt ist Cato mit seinem Anhang, wenn auch verehrt. Eine strenge Sekte ist die der Gesetzten und Vernünftigen, wenige folgen ihr, viele verehren sie, und wenn der Ernst auch Unbehagen erzeugt, so doch nicht Verachtung.

Welch ein Schauspiel, einen von denen, die ungezügelt im Scharfsinn und verquer im Geist sind, noch mitten im Tod scherzen zu sehen: denn wenn die Weisen sterben wie Schwäne, so diese wie Krähen, mit schlechten Witzen und im Streit. Ein Caravajal zeigte auf diese Weise wie ausweglos sein Leben gewesen war.

Die Schlauen und Klugen hielten imumer sehr wenig von Scherzen, und einer genügte um die Gunst des klugen katholischen Herrschers zu verscherzen. Die Dummköpfe ertragen einander besser, entweder weil sie nichts merken oder weil sie einander ähneln. Der kluge Mann aber kann sich nicht selbst Gewalt antun, es sei denn, Abhängigkeit ist im Spiel.